Foto: Photogra Fer / Flickr
Maria faltet die Hände über dem Kopf zusammen und wie sie so inbrünstig in Katalanisch vor sich hin murmelt, da weiß man eigentlich nicht, ob Sie den Himmel um Hilfe bittet oder ihn leidenschaftlich verflucht.
Sie deutet nach oben “Diese Wolken sollen abhauen!” Aha, also doch Fluchen, kein Flehen. Wir befinden uns in Barcelona, Spätsommer. Morgen soll das Gracia-Festival eröffnet werden.
Bei diesem einwöchigen Spektakel treten die Straßen im Viertel Gracia in einen fröhlichen Wettstreit um den schönsten Straßenschmuck. Richtiger wäre es allerdings, von der schönsten “Straßenwelt” zu sprechen, denn hier wird nicht einfach hie und da ein Kugelfisch, ein riesiges Raumschiff oder ein freundliches Monster über dem Gehsteig installiert. Hier bekommen die Straßen eine Krepppapier-Rundum-Behandlung und wachen als Dschungeldickicht, Gruselhöhle oder eben Märchenlandschaft wieder auf. Zusammen mit den anderen Bewohnern der Straße tüftelte die ganze Familie, von Oma Maria bis hin zu den sechs Enkelkindern, ein Jahr lang an der perfekten Inszenierung. “Dieses Jahr muss unsere Straße eigentlich den Titel holen. Mit deinen Schmetterlingen hier schaffen wir das, Maria!”. Die Dame wiegt den Kopf ergriffen zu Nicolás Worten. Nicolás ist Marias “kleiner Nachbarsjunge”, so sagt sie. Dass er die 50 weit hinter sich gelassen hat - das ändert nichts an dieser Tatsache. So ist das hier in Gracia: Man kennt sich quasi schon ein Leben lang.
Foto: amaianos / wikimedia.org
Das mag mit dem ganz speziellen Spirit in Gracia zu tun haben: Bis heute schaffen es die Bewohner, sich im Moloch der Großstadt ihre eigene Identität und ihre Traditionen zu bewahren. Das Straßenfest ist bis heute ein Spektakel von und für die Nachbarschaft und zwar generationsübergreifend. “Alle machen mit, von klein bis groß. Wo gibt es das heute noch?”, nickt Nicolás und Maria tätschelt ihm lobend den Arm. “Mach dir keine Gedanken wegen des Regens”, fügt er dann hinzu. “Ein bisschen Sprühregen passt doch ins Märchenland!”
Marias Schmetterlinge sind das letzte Element, das angebracht wird, der letzte Mosaikstein in der einjährigen Vorbereitungszeit. “Mit dem Alter wird es natürlich immer anstrengender. Auch, weil die jüngeren immer wildere Ideen haben. Aber jedes Mal am Abend vor der Eröffnung - wenn man mit der Kraft eigentlich am Ende ist - dann macht sich so ein Glück in mir breit, wie ich es von nichts anderem kenne.”
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