5 Berlin-Seiten, die Du kennen musst

27.11.2015   Teilen auf  Facebook Twitter Google+

Berlin ist anders als die anderen. Die schöne Wilde, tierisch irgendwie, schon dem Namen nach, und immer einen Schritt voraus.

Die nimmt man besser nicht ins Visier, zur Analyse, denn sie hat alles schon gesehen und sie nimmt dich auseinander, bevor du den Stift gezückt hast.

Weithin sichtbar und daher für viele Berliner das Zeichen, dass sie zuhause sind: Der Fernsehturm.

Wir sitzen ja in München. Und wenn man meint, man müsste aus der Ferne etwas darüber schreiben, welche Berliner Stadtblogs den Berlinern gerade sagen, wie Berlin gerade drauf ist - dann ist dieses Vorhaben natürlich zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn man sehr umsichtig vorgeht, zunächst den Blick ausgiebig schweifen lässt über das, was man für die dortige Blogger-Szene hält, irgendwie kann man nur daneben greifen…von München aus ganz besonders, ahnt man. Das liegt aber gar nicht an der Auswahl an Blogs, die man als Must-Reads in Erwägung ziehen will. Es hat eher etwas mit dem Anspruch zu tun, eine Auswahl treffen zu wollen. Dementsprechend gucken befreundete Berliner, um eine Empfehlung gebeten, selbst recht ratlos in die Luft. Relevante Stadtblogs? Bei näherer thematischer Eingrenzung geht das schon: Berlin für Expat-Mums, Berlin für Foodies, Berlin für Bauhaus-Fans, Berlin für Neu-Neuköllner etc. Aber die fünf oder sechs Quellen mit dem Ohr am Herzen der Stadt, die gibt es halt nicht - in Berlin schlagen einfach noch ein paar Herzen mehr als in anderen deutschen Städten. Da lauscht man lieber dem ungetakteten Gesamtrauschen, als sich an ein Stellvertreter-Ohr zu hängen, das selektiver Filtern muss als seine Ohr-Artgenossen in Hamburg oder München. Den Anspruch auf Vollständigkeit gibt man in Berlin besser gleich auf - er ist ganz gegen das Selbstverständnis dieser Stadt.

Aber wir wollen ja auch nicht nix empfehlen. Geht ja nicht. Wir sind Städtefans. Das Eintauchen in den Stadtdschungel ist quasi unser Versprechen und jetzt stellen wir uns nicht einfach hin und sagen “Och du…Berlin ist uns halt irgendwie doch zu komplex!”. Was also tun?

Wir haben deshalb ein ausgefeiltes zweistufiges Portfolio an Berlin-Seiten für euch zusammengestellt. Level 1 bildet denGrundstock, zwei Netzgrößen, von denen wir denken: Ja, hier würden quer durch die Berliner Kiez- und Kulturnischen wohl die meisten Locals das Siegel “Pflichtlektüre” geben. Auf dem Advanced Level haben wir dann Blogs versammelt, die mit special interest Charme punkten, denn wie wir gelernt haben: Thematische Schwerpunkte erlauben es uns ein stückweit, Must-Reads zu bestimmen.

Level 1

Tagesspiegel Checkpoint

Wer Berlin zuhören will, dem Empfehlen wir zum Auftakt eine Stimme und einen Chor. Die Stimme ist die eines ausgewiesenen Experten, gut im Kuratieren und Kommentieren - wenn Filter, dann dieser, so unsere Meinung.

Wir sprechen von Checkpoint, der täglichen Dosis Polit- und Alltagswahnsinn aus der Hauptstadt. Der Newsletter (zu bestellen hier) landet morgens gegen viertel vor sechs im Mailfach. Obacht, bei manchen mag er ihm Spam- oder Werbeordner ankommen. Den Gedankenstrom von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt muss man als Nicht-Berliner zu so früher Stunde vielleicht hin und wieder zweimal lesen (insbesondere, wen man kein Fan von Klammersetzung ist), aber die kleinen Geschichten rund um Stadtverwaltung und Lokalpolitik amüsieren auch alle Leser jenseits der Spree. Interessante Erkenntnis dabei: Ja, auch die Berliner machen noch Witze über den BER. ;-)
Die leichte Brise Hauptstadt für den Morgen, irgendwo zwischen Kiez-Skandal und Bundespresse, zwischen Kantinentipp und Hochkultur-Geläster. Lesen und die Hauptstadt mit in den Tag nehmen, egal, wo er beginnt.

Öfter mal im Fokus des Checkpoints: Die großen und kleinen Aufreger des Berliner Politikbertriebs.

Notes of Berlin

Unser zweiter Tipp - der Checkpoint mag ihn übrigens auch - ist ganz auf Linie mit unserem Einknicken vor der Vielstimmigkeit dieser Stadt. Notes of Berlin ist das Projekt von Joab Nist - kein klassischer Blog , kein Magazin, sondern ein Sammelsurium mit Kultstatus. Was an Berliner Autos und Straßenlaternen hängt, an Stromkästen und in Hausfluren - das wird fotografiert und täglich hier veröffentlicht. Die meisten Zettel erzählen von Nachbarschaftskriegen (Krach, Müll, Parken), von der Suche nach der großen Liebe oder immerhin der großen Wohnung (auch nicht mehr so einfach in Berlin, was man so abliest). Der Ton schwankt zwischen naiv-unschuldig, charmant, verzweifelt, genervt und erbost. Und es stellt sich heraus: Genervte und böse Menschen sind meistens auch sehr lustig. Zumindest in Berlin steigt mit dem Eskalationsgrad oft auch der Wortwitz der bösen Zungen. Bei den emotionalen Zettelfluten kommt man fast zu dem Schluss, dass das eigene Leben ein sehr langweiliges sein muss….so ganz ohne akuten Zettelanlass. Dann sollte man sich klar machen: Das liegt nicht am Leben, das liegt an Berlin. Und Berlin ist halt doch eine unbezähmbare Bärin. Von Ferne ein Mythos, bei Annäherung ein wildes Versprechen: Ein bisschen Schleudertrauma, ein bisschen Drama.

Feudal-entspannt - so stellt man sich im Rest der Republik das Wohnen in den Berliner Altbau-Palästen vor. Doch der Schein trügt: Nachbarschaftskrieg allerorten! Immerhin mit großem Unterhaltungspotential

Advanced Level

Berlin Food Stories

Wenden wir uns den Experten zu. Aus dem Zauberhut ziehen wir einen Schlemm-Blog (Sowieso!), einen Modeblog (und was für einen!) sowie die Berlin-verliebten Seiten eines Exil-Walisers.

Der gebürtige Schwede Per Meurling ist der ungekrönte König der hiesigen Gastro-Blog-Szene. Dass dieser Mann etwas von gutem Service versteht, sieht man sofort. Berlin Food Stories ist nämlich selbst sowas wie ein Rundum-Sorglos-Paket für Foodies. Die Favoriten in den jeweiligen Kategorien (u.a. Chinesisch, Mexikanisch, Pizza, Thai, Deutsch, Frühstück…) sind nicht nur aufgelistet, sondern auch auf einer filterbaren Karte aufgepinnt. Note 1 für die Übersichtlichkeit! Ein weiteres Extra: Per hat sogar einen Kulinarischen “Kalender”. Dessen angenehm nüchterne Aufmachung sorgt dafür, dass Gastro-Highlights nicht abgehoben oder überkandidelt wirken, sondern im Gegenteil als Freizeittipp für Jedermann ernsthaft in Erwägung gezogen werden können. Berlin Food Stories liefert übrigens nicht nur Infos, sondern leitet einen bei Interesse auch auf die Liefer- bzw. Reservierungsseiten der empfohlenen Restaurants weiter. Das wirkt hier aber nicht aufdringlich, sondern einfach konsequent zu Ende gedacht. Das gleichsam für ein Spezial-Angebot, das sich an alle Kulinarik-Ultras richtet: Per stellt gerne thematische Guides oder sogar Touren zusammen. Wer also beispielsweise mit einem absoluten Burger-Fan liiert ist – hier winkt die Möglichkeit für ein sehr individuelles Weihnachtsgeschenk!

Auf Berlin Food Stories kann man man die Karte nach kulinarischen Vorlieben filtern.

What Ali Wore

Zugegeben, es ist etwas ruhiger geworden um diesen wohl ausgefallensten und zugleich charmantesten Modeblog aus der Hauptstadt. Dennoch gehört What Ali Wore zu den Berlin-Blogs, die man kennen muss. Weil er ohne viele Worte ganz viel erzählt vom Leben in der Hauptstadt. Ali, der alleinige Protagonist dieses Blogs, ist Mitte 80, ehemaliger Arzt und Schneider, Vater von 18 Kindern und aktuell – wenn man die letzten Blogeinträge richtig interpretiert – ein bisschen Heimweh geplagt seit seiner letzten Reise in die Türkei. Was er aber vor allem ist: Ein Fashion-Victim! Man munkelt, er besäße über 100 Anzüge, allesamt wirklich ein Hingucker, man kann’s nicht anders sagen und getragen werden sie mit einer lässigen Grandezza, wie man sie sich im 21. Jahrhundert eigentlich gar nicht mehr angedeihen lassen kann. Selbst wenn Ali im Trainingsanzug auftritt, hat das Feinschliff und Klasse. Ähnliches dachte sich wohl auch die Fotografin Zoe Spawton, die Macherin des Foto-Blogs. Jeden Tag sah sie Ali an dem Café vorbeilaufen, in dem sie arbeitet – bis sie ihn Ansprach und eine Australisch-Türkisch Freundschaft begann, wie sie vielleicht nur in Neukölln entstehen kann. Generationsübergreifend, ohne viel Gewese, dafür mit viel Herz.

Zoe würde den Blog gerne als Buch herausbringen. Hier erste Entwürfe…

andBerlin

David Yates beim Berlinentdecken zuzuschauen, ist eine pure Freude. Was seinen Blog zu einem besonderen Schmankerl macht und ihn von anderen Seiten abhebt, die sich ebenfalls den üblichen Entdecker-Kategorien verschrieben haben (Best Of Berlin, Eating & Drinking etc.): Seine britische Perspektive und die Art, mit der David sein Ankommen und Zuhausefühlen in dieser Stadt zelebriert, seine unverdorbene Begeisterung für die offensichtlichen und versteckten Berliner Geschichten. So arglos, wie er durch die Hauptstadt streift, ohne dogmatischen Subkultur-Duktus, und für jedes neue Detail empfänglich, da möchte man dem Waliser einfach zu seinen Eroberungen gratulieren und ihm ermunternd auf die Schulter klopfen. Als Nichtberliner kann man sich hier einfach ab und an bei David unterhaken und ihm - metaphorisch gesprochen - bei seinen Stadtrundgängen folgen. Aber wir behaupten: So unbefangen ist die Liebeserklärung dieses Briten an die Hauptstadt - da müssen auch Berliner schmunzeln.

David in der Lampe - wobei man auch eine Christbaumkugel darin sehen könnte. ;-)